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#discoverdedicom: Wenn Verantwortung diffundiert, droht Gefahr

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«Das habe ich getan», sagt mein Gedächtnis. «Das kann ich nicht getan haben», sagt mein Stolz und bleibt unerbittlich. Endlich – gibt das Gedächtnis nach.

Friedrich Nietzsche

 

Kennt ihr das Phänomen der #Verantwortungsdiffusion?

Es beschreibt einen Effekt, den wir in Meetings aber auch im Privaten immer wieder erleben: Es gibt eine klar definierte Aufgabe, genug qualifizierte Anwesende, und trotzdem (lange) keine:n Freiwillige:n, der/die die Verantwortung übernimmt.

In der Psychologie definiert sich der Begriff wie folgt:

„Mit zunehmender Personenzahl in einer Gruppe sinkt das Verantwortungsgefühl des Einzelnen für die Erledigung einer Aufgabe, das heißt, die Verantwortung „diffundiert“(verteilt sich) über die Gruppenmitglieder (bystander Effekt)“ (Werth & Mayer, 2008, S.565)

Oder auch:

„Es findet eine kognitive Uminterpretation statt, durch die die Verantwortung unter verschiedenen Personen aufgeteilt wird – mit dem Ergebnis, dass sich jede einzelne Person weniger verantwortlich fühlt. Infolgedessen fühlt sich jedes individuelle Gruppenmitglied weniger verantwortlich als in einer Situation, in der es allein ist. In Zuschauergruppen bei Notfällen kann die soziale Hemmung des Hilfsverhaltens durch ein vermindertes Verantwortungsgefühl unter den Zuschauern hervorgerufen werden“ (Stroebe, Jonas & Hewstone (Hrsg.), 2002, S. 338).

Eine weitere Variante der Verantwortungsdiffusion: Die Herausforderung, Verantwortung für das eigene Tun zu übernehmen.

Menschen tun sich oft schwer, eigene Fehler eingestehen zu können. Das Spiel „Ich war`s nicht!“, bei dem es um die Zu- oder Abweisung von Verantwortung geht, kennen wir alle. Kleine Kinder beherrschen das oft in Perfektion, aber auch erwachsene Menschen benötigen eine große Reife, um für ihr Handeln konsequent die Verantwortung zu übernehmen. Einfach zu sagen: „Es tut mir leid“, und: „Wie kann es besser gehen?“, anstatt: „Ja, aber du hast ja auch…..“

Die gute Nachricht: Verantwortungsübernahme kann man üben.

Und die noch schönere, so zumindest meine Erfahrung: Wenn du sie übernimmst, folgen dir weitere Personen, um dich zu unterstützen, oder es dir gleich zu tun.

Die Reaktionen auf die jüngsten Enthüllungen des Recherchenetzwerks CORRECTIV zum Beispiel zeigen genau diesen Effekt: Wir alle haben gesehen, dass da etwas grundlegend falsch läuft. Und irgendwie haben doch alle gedacht: Die Anderen werden es schon richten. Haben sich in der Masse versteckt. Die Verantwortung ist diffundiert. Aber: Der sich nun langsam formierende Versuch der Zivilgesellschaft, sich gegen die rechten Kräfte zu positionieren, nimmt Fahrt auf.

Dabei geht es nicht (mehr) um parteipolitisches Machtgehabe, sondern um unser aller Verantwortung. Von uns als #Zivilgesellschaft, von uns als Demokraten und Demokratinnen, von uns als Arbeitnehmer:innen und als Arbeitgeber:innen, von uns Menschen. Denn wenn wir uns vor Verantwortung drücken, sie diffundieren lassen, entsteht im ungünstigsten Fall ein gefährliches Vakuum.

Verantwortung zu übernehmen zahlt sich aus: Für sich selbst, für die eigenen Werte aber auch für ein gemeinsames Ziel. Es fühlt sich selbst bestimmt an und aktiv, und das gibt Kraft und Zuversicht, dass wir gemeinsam eine (Arbeits.)welt gestalten können, in der Demokratie und Diversität die unverhandelbare Basis bilden.

#discoverthenew

 

 

 

Verwendete Literatur

Stangl, W. (2024, 18. Jänner). Verantwortungsdiffusion. Online Lexikon für Psychologie & Pädagogik.


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